DAS RECHT DER ARTOTHEK
Werner von Schaper (Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin) Inhalt 1. Einführung 2. Träger 3. Erwerbung 4. Benutzung 5. Beschädigung/Verlust 6. Kosten, Gebühren, Entgelte 7. Ausblick 1 Einführung Seit Beginn der Siebziger Jahre wurden zahlreiche Artotheken und Graphotheken in der Bundesrepublik gegründet. (im folgenden wird der Einfachheit halber stets von Artothek gesprochen.) Die Literatur zu Sinn und Zweck der Artotheken ist bereits recht vielfältig, die rechtlichen Aspekte allerdings sind bisher kaum behandelt worden. Daher soll hier der Versuch unternommen werden, die Rechtsprobleme der Artotheken systematisch zu behandeln. Grundlage dafür waren verschiedene vorhandene Benutzungsordnungen. Als ich zum ersten Mal von diesem Thema hörte, dachte ich noch, dass Artotheken kaum andere Rechtsprobleme haben können als Bibliotheken, doch bei näherer Beschäftigung mit dem Thema stellte sich das als Irrtum heraus: Kunstwerke sind größere Wertobjekte als das Durchschnittsbuch in einer Öffentlichen Bibliothek und schon deshalb sensibler zu behandeln. Bücher können bei Verlust - sofern noch lieferbar - problemlos nachgekauft werden, Kunstwerke dagegen nicht, denn diese haben nur eine kleine Auflage oder sind sogar Unikate. 2 Träger Eine Artothek ist zumeist eine organisatorisch unselbständige Einheit, Mitglieder anderer Organisationseinheiten betreuen die Artothek mit. Daher ist zunächst nicht auf das Recht der Artothek selbst, sondern auf das Recht der übergeordneten Organisationseinheit bzw. des Trägers der Artothek abzustellen. Zu unterscheiden sind im wesentlichen zwei mögliche Träger: 2.1 Privat-rechtlicher Träger Hierzu zählt z.B. ein privater Kunstverein wie in Bielefeld (vgl. die vereinsrechtlichen Vorschriften §§ 21-79 BGB), aber auch eine privat-rechtlich organisierte Öffentliche Bibliothek, z.B. in Form einer GmbH wie in Gütersloh (vgl. Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung). Das Privatrecht geht von der Gleichordnung der Partner aus. Zwischen den Partnern werden Verträge geschlossen, deren Bedingungen grundsätzlich frei ausgehandelt werden. Die Artothek kann - wegen der Vielzahl der Verträge - mit den Benutzern nur allgemeine Vertragsbedingungen (= Allgemeine Geschäftsbedingungen = AGB) vereinbaren. Um Benutzer vor Auswüchsen der AGB zu schützen, ist zusätzlich das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu beachten. 2.2 Öffentlich-rechtlicher Träger Hierzu rechnet z.B. ein Museum einer Stadt wie in Mülheim/ Ruhr oder - der Regelfall - eine öffentlich-rechtlich organisierte Artothek wie z.B. die Graphothek in Berlin-Reinickendorf. Im öffentlichen Recht gilt das Über-/Unterordnungs-Prinzip, d.h. die Artothek (bzw. ihr Träger) kann einseitig eine "Benutzungsordnung" für die Benutzer erlassen, wobei sie nicht an das AGB-Gesetz gebunden ist. | |
3 Erwerbung | |
Bevor eine Artothek Kunstwerke verleihen kann, muss sie diese zunächst selbst erwerben, wobei verschiedene Erwerbungsarten vorkommen können: 3.1 Kauf (§§ 433-514 BGB) Dieses ist rechtlich die einfachste Erwerbungsart. Die Artothek wählt allein - bzw. nach Einschaltung einer Ankaufskommission - die Kunstwerke aus, kauft und bezahlt sie und nimmt sie in ihren Bestand auf. Falls die Kunstwerke Mängel aufweisen, so hat die Artothek Anspruch auf Beseitigung bzw. Gewährleistung gegenüber dem Verkäufer (§ 459 BGB). Die Artothek wird Eigentümer und kann grundsätzlich frei über die gekauften Kunstwerke verfügen (§ 903 BGB), soweit ihre öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung dies zulässt. 3.2 Tausch (§ 515 BGB) Auch hier wird die Artothek uneingeschränkter Eigentümer des eingetauschten Kunstwerks, aber sie ist in der Auswahl nicht so frei wie beim Kauf: Der Tauschpartner ist in der Regel nur bereit zu tauschen, wenn er eine ganz bestimmte Gegengabe erhält, oder er ist nur zum Pakettausch bereit, d.h. einer Mischung von Kunstwerken "guter" und ..weniger gute C Qualität. Hier muss die Artothek zunächst prüfen, ob sie überhaupt eigene (= in ihrem Eigentum stehende) Kunstwerke zwecks Tausch aussondern darf, was wohl nur selten der Fall ist, da nach den haushaltsrechtlichen Vorschriften meist nur verbrauchte bzw. völlig abgenutzte Gegenstände ausgesondert werden dürfen, eventuell auch unfreiwillig entstandene Dubletten. Danach ist zu klären, mit welchem Wert die Tauschgabe angesetzt werden kann. Zwar gelten die gleichen Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Tauschpartner wie gegenüber dem Verkäufer, aber da der Tausch als solcher bereits ein Entgegenkommen des Vertragspartners darstellt, bestehen in der Regel Hemmungen, solche Ansprüche auch geltend zu machen und durchzusetzen. 3.3 Geschenk (§§ 516-534 BGB) Hier ist die Auswahlfreiheit noch eingeschränkter: Als Geschenk wird die Artothek eventuell auch ein Kunstwerk annehmen, das sie nicht gekauft hätte; die Auswahlkriterien werden in einem solchen Fall also weniger streng gehandhabt. Bestehende Ansprüche, etwa wegen Haftung für Sachmängel(§ 524 BGB) werden aus Dankbarkeit gegenüber dem Spender wohl nur in Ausnahmefällen geltend gemacht. Manchmal wird ein Geschenk auch nur angenommen, weil eine Ablehnung zu Schwierigkeiten führen würde. 3.4 Leihe (§§ 598-606 BGB) Wenn die Artothek Kunstwerke durch Dauerleihgabe von Spendern erwirbt, so geht sie damit ein erhöhtes Risiko ein: Sie haftet dem Verleiher für die unbeschädigte Rückgabe des Kunstwerks nicht nur für die Zeitspanne, in der sich das Kunstwerk in der Artothek, also in ihrem eigenen Einflussbereich befindet, sondern auch für die Zeit, in der sie es - bestimmungsgemäß - an einen ihrer Benutzer weiterverleiht, wobei die Artothek kaum Einfluss darauf hat, wie ihre Benutzer mit den entliehenen Kunstwerken umgehen. Der ursprüngliche Verleiher kann sich im Schadensfall direkt an die Artothek, d.h. seinen Vertragspartner halten, auch wenn deren Benutzer und nicht die Artothek selbst den Schaden verursacht hat. Allerdings kann die Artothek danach Rückgriff bei ihrem Benutzer nehmen und von ihm die Schadenersatzsumme verlangen, die sie an den ursprünglichen Verleiher bereits gezahlt hat. 3.5 Kommissionsgeschäft (§§ 383-406 HGB, §§ 652-655 BGB) Wenn die Artothek ein Kunstwerk in Kommission nimmt, d.h. um es zu verkaufen oder einen Verkauf zu vermitteln, so ist sie zwar Besitzer, nicht aber Eigentümer dieses Kunstwerks. Hier handelt es sich um eine besondere Form der Leihe, die nicht zum Ziel hat, das Kunstwerk dem Eigentümer ( = Verleiher) zurückzugeben, sondern es für ihn zu verkaufen. In diesem Falle haftet die Artothek dem Eigentümer (Kommittenten) für eventuelle Schäden während der Kommissionszeit, d.h. während der Zeit, in welcher sich das Kunstwerk in der Artothek oder beim Benutzer befindet, es sei denn, eine solche Haftung ist vertraglich ausgeschlossen. Kommissionsgeschäfte sind aber auch aus einem anderen Grund problematisch: Es ist nicht Aufgabe einer öffentlich-rechtlichen Artothek, privat-rechtliche Geschäfte zu tätigen, auch wenn der Umsatz noch so bescheiden ist. Auch könnte der private örtliche Kunsthandel im Kunsthandel der Artothek unlauteren Wettbewerb sehen (§ 1 UWG) und wegen Wettbewerbsverzerrung gerichtlich vorgehen, denn die öffentlich-rechtliche Artothek trägt z.B. kein Geschäftsrisiko und ist nicht mehrwertsteuerpflichtig wie ein privater Kunsthändler. Schließlich ist fraglich, ob die Artothek eine Verkaufsprovision erhält, was damit geschieht, und ob sie diese Provision überhaupt annehmen darf. Der Grundgedanke beim Kommissionsgeschäft über eine Artothek ist die Künstlerförderung. Diese lässt sich jedoch auch anders erreichen: Die Artothek verweist den kaufwilligen Entleiher, der zunächst einmal das Kunstwerk an die Artothek zurückzugeben hat, an den Künstler selbst oder an den ihn vertretenden Kunsthändler, von dem das Kunstwerk dann gekauft werden kann (vgl. Recklinghausen: "Ein Ziel der Artothek ist es auch, zum Erwerb von Kunstwerken anzuregen."). Wenn es zum Kauf gekommen ist, verlangt der Künstler bzw. der Kunsthändler das an die Artothek verliehene Kunstwerk zurück und übergibt es dem Käufer. - Dieser Fall zeigt, dass die Artothek mit Kunstwerken, die sie selbst nur geliehen hat, sehr viel Arbeitsaufwand haben kann. 3.6 Bestandsverzeichnis Wenn die Artothek Eigentümer eines Kunstwerks wird, muss sie es in ihr Bestandsverzeichnis eintragen. Dies ist auch ein freiwilliger Service für die Benutzer, aber zunächst - bei einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung - eine Pflicht gegenüber dem Staat bzw. dem Steuerzahler (vgl. § 28 Buchungs- und Rechnungslegungsordnung für das Vermögen des Bundes; Länder und Gemeinden haben entsprechende Vorschriften). Auch wenn die Artothek nicht Eigentümer eines Kunstwerks wird (bei Leihe und Kommission), sollte sie dieses Kunstwerk ebenfalls in ein Bestandsverzeichnis aufnehmen, einerseits wiederum als Service dem Benutzer gegenüber, andererseits aus Obhutspflicht gegenüber ihrem jeweiligen Vertragspartner. | |
4 Benutzung | |
4.1 Benutzungsverhältnis Die öffentlich-rechtliche Artothek hat, da sie zur Leistungsverwaltung und nicht zur Eingriffsverwaltung gehört, die Wahl, ob sie sich für ein öffentlich-rechtliches oder für ein privat-rechtliches Benutzungsverhältnis entscheidet. Die materiellen Vorschriften unterscheiden sich nicht wesentlich: In beiden Fällen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), entweder direkt (beim privatrechtlichen Benutzungsverhältnis) oder entsprechend (beim öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis).Bei den formellen Vorschriften jedoch, nämlich der Durchsetzung von Ansprüchen, gibt es erhebliche Unterschiede: Beim privat-rechtlichen Benutzungsverhältnis muss die Artothek stets das Gericht einschalten (und zwar das Amtsgericht), um einen Vollstreckungstitel zu erlangen (§§ 704 ff. ZPO). Sie darf nicht selbst vollstrecken, indem z.B. ein Artothekar das überfällige Kunstwerk aus der Wohnung des Benutzers holt. - Beim öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis hingegen kann die Artothek sich selbst den Vollstreckungstitel schaffen und selbst ein Zwangsverfahren einleiten, indem sie dem Benutzer einen Leistungsbescheid (= Verwaltungsakt) zuschickt und dieser rechtskräftig wird (vgl. Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz). Im Streitfall muss der Benutzer - und nicht die Artothek - das Verwaltungsgericht anrufen. Der Trend im staatlichen Bereich, dem Bürger entgegenzukommen, indem möglichst viele Verhältnisse Bürger/Staat auf Privatrecht umgestellt werden, hat also für den Staat seinen Preis in der schwierigeren Durchsetzung von Ansprüchen. 4.2 Benutzerkreis Am einfachsten ist es für die Artothek, nur natürliche Personen zur Benutzung zuzulassen, die volljährig, ortsansässig und deutsche Staatsangehörige sind. Zur Zulassung reicht dann die Vorlage des gültigen Personalausweises aus. (Der Reisepass enthält nicht die Anschrift.) Jede weitere Ausdehnung des Benutzerkreises kann rechtliche Komplikationen mit sich bringen und erfordert weitere Unterlagen: Ein Minderjähriger (§ 2 BGB) bedarf zur Zulassung zur Benutzung der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB), d.h. die schriftliche Zustimmung beider Eltern muss vor der ersten Ausleihe vorliegen. Bei Nicht-Ortsansässigen sehen manche Kommunen Probleme: Sie stehen - im Zeichen von Etatkürzungen - auf dem Standpunkt, dass grundsätzlich nur die eigenen Bürger in den Genuss der gemeindlichen Leistungen kommen sollen und wollen daher nur an eigene Bürger ausleihen. Bei Ausländern und Staatenlosen ist darauf zu achten, dass sie neben dem Pass (wegen der Identität) auch eine polizeiliche Anmeldung (wegen der Wohnanschrift) und eine Aufenthaltserlaubnis vorlegen, die noch mindestens doppelt solange gültig ist wie die geplante Ausleihe. Andernfalls ist das Risiko für eine gesicherte Rückgabe zu groß. Bei juristischen Personen, z.B. Behörden und Firmen, muss zusätzlich ein Nachweis der Vertretungsbefugnis erbracht werden (§ 164 BGB), aus dem ersichtlich ist, für welche juristische Person die handelnde natürliche Person tätig wird. Darüber hinaus gibt es Personen, die man aus verschiedensten Gründen nicht zur Ausleihe in der Artothek zulassen möchte, z.B., weil sie in der Bibliothek bereits mehrfach un ' angenehm aufgefallen sind durch Nichtrückgabe von Büchern, Nichtzahlung von Gebühren u.a.m. Das ist ein berechtigtes Anliegen, das jedoch nicht zur Willkür führen darf. Eine Formulierung in der Benutzungsordnung wie "Die Vereinbarung eines Leihverhältnisses liegt im Ermessen der Leitung" ist daher bei einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung zumindest unglücklich. Besser wäre z.B. die Formulierung "Zugelassen wird, wer die Gewähr für die Einhaltung der Benutzungsordnung bietet". Zwar enthält diese Formulierung einen unbestimmten Rechtsbegriff, der aber konkretisierbar ist - im Gegensatz zur erstgenannten Formulierung. Eine Gewähr für die Einhaltung der Artothek-Benutzungsordnung bietet eben derjenige nicht, der bereits mehrfach gegen die Bibliotheks-Benutzungsordnung verstoßen hat, indem er z.B. Bücher nicht zurückgegeben hat, oder der wegen Unterschlagung entliehener Bücher bereits vor Gericht gestanden hat. Wichtig ist, dass jede Ablehnung eines Benutzers - bei einer öffentlich- rechtlichen Artothek - einen Verwaltungsakt darstellt, gegen den Rechtsmittel gegeben sind: Widerspruch und gegebenenfalls die Klage vor dem Verwaltungsgericht (§ 35 VwVfG, §§ 68 ff. VwG0). Das bedeutet, eine Ablehnung muss stets sachlich begründbar sein. 4.3 Miete/Leihe Miete ist die entgeltliche Gebrauchsüberlassung einer Sache (§ 535 BGB); Leihe ist die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung einer Sache (§ 598 BGB). Der Begriff "Miete" wird im Bibliothekswesen kaum benutzt, obwohl die sogenannten "Benutzungsgebühren" der Miete inhaltlich entsprechen. Benutzungsgebühren sind jedoch selten geworden bei den Öffentlichen Bibliotheken, sie wurden erst - im Zuge von Sparmaßnahmen - zu Beginn der Achtziger Jahre wieder entdeckt mit dem "Erfolg" von drastischen Rückgängen der Benutzerzahlen. Ziel der Öffentlichen Bibliothek ist es, ihre Leistungen, d.h. die Ausleihe innerhalb der festgelegten Leihzeit, unentgeltlich zu erbringen (vgl. Bibliotheksplan '73). Daher bietet es sich an, bei den Artotheken, die vielfach Öffentlichen Bibliotheken zugeordnet sind, ebenso zu verfahren. Leihe für Bücher und Miete für Kunstwerke: das dürfte dem Benutzer schwer vermittelbar sein. | |
5 Beschädigung/Verlust | |
5.1 Haftung Wenn der Benutzer während der Leihzeit einen Schaden am entliehenen Kunstwerk verursacht, so haftet er dafür bei Vorsatz und Fahrlässigkeit bereits aufgrund des Gesetzes (§§ 249, 276, 823 BGB). Das heißt, er haftet beispielsweise, wenn das Bild samt Nagel von der Wand fällt. Er haftet, wenn er vergessen hat, die Heizung abzudrehen, und das weiße Bild bräunlich wird. Er haftet auch, wenn sein Kind das Bild bemalt (§ 832 BGB), oder wenn sein Hund das Bild anfrisst (§ 833 BGB). Der Benutzer haftet sogar dann, wenn sein Onkel, der bei ihm zu Besuch ist, nach der Leihzeit, (d.h. wenn der Benutzer säumig ist) einen Sektkorken gegen das Bild knallen lässt und dadurch beschädigt (§ 287 BGB). Passiert derselbe Vorfall bereits während der Leihzeit, ist die Haftung des Benutzers gesetzlich nicht vorgesehen. Allerdings haftet der Onkel des Benutzers der Artothek direkt (§ 823 BGB), aber es dürfte schwierig für die Artothek sein, den Onkel ausfindig zu machen, wenn der Benutzer nicht kooperativ ist. Um diese und weitere Lücken bei der Haftung des Benutzers zu schließen, sollte in der Benutzungsordnung eine umfassende Haftungsklausel enthalten sein, etwa: "Der Benutzer haftet für Verlust entliehener Gegenstände und jeglichen Schaden daran während der Ausleihe, wobei die Ausleihe mit der Übergabe an den Benutzer beginnt und mit der ordnungsgemäßen Rückgabe an die Artothek endet" (vgl. Mülheim/Ruhr) (vgl. § 447 BGB). Außerdem ist der Benutzer zu verpflichten, jeden Verlust oder Schaden der Artothek unverzüglich zu melden. 5.2 Vorsorge Die genannten Beispiele zeigen bereits, dass vor der Haftung die Schadensvermeidung bzw. die Schadensminimierung stehen sollte: Hätte der Benutzer einen dickeren Nagel in eine stabilere Wand eingeschlagen, so wäre das daran aufgehängte Bild wahrscheinlich nicht heruntergefallen. Hätte der Benutzer sein Kind besser beaufsichtigt, so hätte er dessen Bemalung des Bildes schon vor Beginn verhindern können. Der Benutzer ist also generell zu sorgfältigem Umgang mit den entliehenen Gegenständen anzuhalten, auch durch die Benutzungsordnung. Die übliche Formulierung, die dem Gesetz nachgebildet ist (§ 277 BGB), "Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten", könnte allerdings zu Missverständnissen führen, da manche Benutzer heutzutage schon mit ihren eigenen Dingen nicht gerade sorgfältig im herkömmlichen Sinne umgehen. Der Benutzer darf die Kunstwerke nur in der Wohnung aufbewahren, die er bei der Anmeldung angegeben hat. Er darf also mit den Kunstwerken nicht umziehen, er darf sie auch nicht mit auf Reisen nehmen oder weitergeben, z.B. der Freundin ein einwöchiges "Geschenk" machen. Außerdem darf er nur ein Kunstwerk zur Zeit entleihen, nicht mehrere. Aber bevor an den Benutzer appelliert wird, ist die Artothek selbst zu Vorsorgemaßnahmen aufgerufen: Kein Bild sollte die Artothek ohne Passepartout, Glas und Rahmen, keine Skulptur sollte die Artothek ohne durchsichtige, bruch- sichere Plastikhaube verlassen, wobei der Benutzer selbstverständlich daran nichts ändern darf. Zusätzlich sollte für eine geeignete Transportverpackung gesorgt werden, z.B. flache Kartons für Bilder. Die Pflicht zur Rückgabe der Kunstwerke in dieser Originalverpackung sollte ebenfalls Bestandteil der Benutzungsordnung sein (vgl. Kiel). In diesen Punkten sind die meisten Benutzungsordnungen - zu Recht - sehr ausführlich. 5.3 Schadenersatz Für die Bemessung des Schadenersatzes sind verschiedene Sätze denkbar: Ursprünglicher Anschaffungswert, gegenwärtiger Wiederanschaffungswert oder Versicherungswert des Kunstwerks bzw. des Zubehörs (Rahmen, Verpackung u.a.). Der ursprüngliche Anschaffungswert kommt kaum infrage, da er in der Regel gestiegen sein dürfte: Eine Graphik von Chagall ist 1987 nicht mehr zu dem Preis von 1984 zu haben. Realistischer ist der gegenwärtige Wiederanschaffungswert, d.h. für die 1984 von der Artothek erworbene Chagall-Graphik ist bei einem Verlust 1987 der Preis zu ersetzen, den diese Chagall-Graphik 1987 im Handel kostet. Doch kommt der gegenwärtige Wiederanschaffungswert nur bei Kunstwerken infrage, die mehrfach existieren, z.B. bei einer Graphik in einer Auflage von mehreren Exemplaren. Die Formulierung in der Benutzungsordnung "Der Wiederbeschaffungswert ist auf der Leihkarte vermerkt" ist nicht sinnvoll, denn der Wiederbeschaffungswert zur Zeit der Ausleihe und zur Zeit des Schadens können verschieden sein. Und es ist überdies unnötige Arbeit, vor jeder Ausleihe einen fiktiven Wiederbeschaffungswert (ein Widerspruch in sich!) berechnen zu wollen, wenn höchstens 2 0/. der Ausleihen zu Schadensfällen führen dürften. Bei Unikaten (Ölgemälde, Aquarell oder Zeichnung) kann nicht auf den Wiederanschaffungswert zurückgegriffen werden, da diese Kunstwerke nicht wiederbeschafft werden können. Hier müsste auf den Verkehrswert zurückgegriffen werden, d.h. es muss geschätzt werden, wie viel das nicht mehr existierende Kunstwerk zum Zeitpunkt des Verlustes im Kunsthandel kosten würde. Grundsätzlich gilt bei der Entleihung, dass der Entleiher die Abnutzungen, die durch vertragsmäßigen Gebrauch herbeigeführt werden, nicht zu vertreten hat (§ 602 BGB). Aber bei Kunstwerken kann man wohl kaum von Abnutzung sprechen, jedenfalls nicht bei einer Leihfrist von drei Monaten und wenn das Kunstwerk gut verpackt ist, z.B. die Graphik in Passepartout und Rahmen. Somit ist beim Schadenersatz kein Abschlag wegen Abnutzung zu berücksichtigen. | |
6 Kosten, Gebühren, Entgelte | |
Die normale Ausleihe innerhalb der festgelegten Leihzeit ist in der Regel unentgeltlich. Kosten für einen Benutzungsausweis entstehen zumeist nicht zusätzlich, da der Benutzungsausweis für die Bibliothek oft auch für die Artothek gilt (z.B. Frankenthal). Anders kann es sein bei Ersatz eines verlorenen Ausweises. Im Anschluß an den Schadenersatz ist eine Verwaltungskostenpauschale sinnvoll: Damit kann der zusätzliche Verwaltungsaufwand abgegolten werden. So erhebt z.B. die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin für die Ersatzbeschaffung eines verlorenen Buches eine Verwaltungskostenpauschale von DM 30,-- für den dabei anfallenden besonderen Verwaltungsaufwand. 6.1 Verzugsgebühr Nach Ablauf der Leihzeit sind Verzugsgebühren zu erheben. Gebühren darf allerdings nur eine öffentlich-rechtliche Bibliothek mit einem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis erheben, und auch nur dann, wenn sie dazu eine gesetzliche Grundlage hat, z.B. ein Kommunalabgabengesetz. Eine Mahngebühr setzt voraus, dass wirklich gemahnt worden ist, andernfalls fehlt es am Äquivalent, das hier in einer Amtshandlung, der schriftlichen Mahnung, besteht. Eine Verzugsgebühr wird hingegen auch ohne schriftliche Mahnung fällig (vgl. §§ 339 ff. BGB). Äquivalent ist hier nicht eine Amtshandlung der Artothek, sondern die längere Nutzungsmöglichkeit (Leihe) für den Benutzer zu Lasten aller anderen Benutzer. Wegen des in der Regel höheren Wertes des Leih-Kunstwerkes gegenüber dem Leih-Buch sollte die Verzugsgebühr der Artothek deutlich höher sein als die einer Bibliothek. 6.2 Kaution/Versicherung Denkbar ist eine Kaution, d.h. eine Sicherheitsleistung des Benutzers vor der ersten Ausleihe. Immerhin sind die entleihbaren Kunstwerke erheblich teurer in der Wiederbeschaffung (soweit sie überhaupt möglich ist) als ein entleihbares Buch. Anhaltspunkt für die Höhe der Kaution kann der durchschnittliche Ankaufspreis der Kunstwerke sein. Von einer Kaution kann abgesehen werden, wenn die Vorsorgemaßnahmen (vgl. 5.2) als ausreichend angesehen werden. Möglich ist stattdessen auch die Erhebung eines Versicherungsbeitrages vom Entleiher zu einer von der Artothek abgeschlossenen Gesamt-Versicherung ihrer Bestände bzw. ihrer ausgeliehenen Bestände. Aber zum einen tut sich die öffentliche Hand meist schwer, ihre Sammlungen zu versichern: Es sei letztlich billiger, einen Einzelschaden zu tragen, als permanent die nicht unerheblichen Versicherungsprämien zu entrichten. Zum anderen kann bei manchen Benutzern das Wissen um eine Versicherung zu einem sorgloseren Umgang mit dem entliehenen Kunstwerk verleiten. Damit würde der gegenteilige Effekt eintreten. Im Anschluss an den Schadenersatz ist eine Verwaltungskostenpauschale sinnvoll: Damit kann der zusätzliche Verwaltungsaufwand abgegolten werden. So erhebt z.B. die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin für die Ersatzbeschaffung eines verlorenen Buches eine Verwaltungskostenpauschale von DM 30,-- für den dabei anfallenden besonderen Verwaltungsaufwand. 6.1 Verzugsgebühr Nach Ablauf der Leihzeit sind Verzugsgebühren zu erheben. Gebühren darf allerdings nur eine öffentlich-rechtliche Bibliothek mit einem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis erhoben, und auch nur dann, wenn sie dazu eine gesetzliche Grundlage hat, z.B. ein Kommunalabgabengesetz. Eine Mahngebühr setzt voraus, dass wirklich gemahnt worden ist, andernfalls fehlt es am Äquivalent, das hier in einer Amtshandlung, der schriftlichen Mahnung, besteht. Eine Verzugsgebühr wird hingegen auch ohne schriftliche Mahnung fällig (vgl. §§ 339 ff. BGB). Äquivalent ist hier nicht eine Amtshandlung der Artothek, sondern die längere Nutzungsmöglichkeit (Leihe) für den Benutzer zu Lasten aller anderen Benutzer. Wegen des in der Regel höheren Wertes des Leih-Kunstwerkes gegenüber dem Leih-Buch sollte die Verzugsgebühr der Artothek deutlich höher sein als die einer Bibliothek. 6.2 Kaution/Versicherung Denkbar ist eine Kaution, d.h. eine Sicherheitsleistung des Benutzers vor der ersten Ausleihe. Immerhin sind die entleihbaren Kunstwerke erheblich teurer in der Wiederbeschaffung (soweit sie überhaupt möglich ist) als ein entleihbares Buch. Anhaltspunkt für die Höhe der Kaution kann der durchschnittliche Ankaufspreis der Kunstwerke sein. Von einer Kaution kann abgesehen werden, wenn die Vorsorgemaßnahmen (vgl. 5.2) als ausreichend angesehen werden. Möglich ist stattdessen auch die Erhebung eines Versicherungsbeitrages vom Entleiher zu einer von der Artothek abgeschlossenen Gesamt-Versicherung ihrer Bestände bzw. ihrer ausgeliehenen Bestände. Aber zum einen tut sich die öffentliche Hand meist schwer, ihre Sammlungen zu versichern: Es sei letztlich billiger, einen Einzelschaden zu tragen, als permanent die nicht unerheblichen Versicherungsprämien zu entrichten. Zum anderen kann bei manchen Benutzern das Wissen um eine Versicherung zu einem sorgloseren Umgang mit dem entliehenen Kunstwerk verleiten. Damit würde der gegenteilige Effekt eintreten, den eine Versicherung eigentlich bewirken will: Mit einer Versicherung entstünden mehr Schadensfälle als ohne Versicherung. Deshalb halte ich die Beteiligung des Benutzers an einer Versicherung nicht unbedingt für sinnvoll. Stattdessen würde ich im Regelfall einer Kaution den Vorzug geben. 6.3 Urheberrechtsvergütung Jedem Bibliothekar ist geläufig, dass für entliehene Bücher (seit 1972) ein sogenannter "Bibliotheksgroschen" zu zahlen ist (§ 27 UrhG). Allerdings zahlt nicht der einzelne Benutzer oder die einzelne Bibliothek, sondern der Träger der Bibliothek führt eine entsprechende Pauschalsumme an die "Verwertungsgesellschaft Wort" ab, die sie an ihre Mitglieder, die Autoren, ausschüttet, da die Autoren auch an der Ausleihe ihrer Bücher, die eine besondere Art der Nutzung geistigen Eigentums darstellt, finanziell beteiligt werden sollen. Dass nach der gleichen Bestimmung auch das Verleihen von Werken der bildenden Kunst vergütungspflichtig ist - parallel zum "Bibliotheksgroschen" der Bibliothek ist auch ein "Artotheksgroschen" fällig - scheint noch nicht hinreichend bekannt zu sein. Auch hier kann nicht der einzelne Künstler Ansprüche bei der jeweiligen Artothek selbst geltend machen, sondern die "Verwertungsgesellschaft BildKuns" muss entsprechende Ansprüche bei den Trägern der Artotheken anmelden. 7 Ausblick Die aufgezeigten Rechtsprobleme dürften verdeutlicht haben, dass Artotheken – neben dem besonderen Engagement der Mitarbeiter - auch eines gesicherten rechtlichen Fundamentes bedürfen. In vielen Artotheken wird bereits daran gearbeitet, vgl. die verschiedenen Benutzungsordnungen, die manches ausführlich, anderes allerdings nur kursorisch oder gar nicht regeln. Daher erscheint es an der Zeit, eine Musterbenutzungsordnung zu erarbeiten, um auf einen gemeinsamen oder immerhin ähnlichen rechtlichen Standard zu kommen. | |
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